Autorin: Katharina Fröhlich
Wer an Luxus denkt, denkt meist an große Logos, laute Reichtumsbekundungen und auffällig teure Garderoben. Und dennoch war kaum ein Trend im Sommer letzten Jahres so präsent wie Quiet Luxury. Doch was verbirgt sich konkret hinter dem Konzept? Woher kommt die Faszination der Reichen für die ästhetische Zurückhaltung? Und welche Auswirkungen hat der stille Luxus für die Branche, insbesondere für China als den wichtigsten Absatzmarkt für Luxusgüter?
Wie sich Quiet Luxury vom bisher geprägten Luxusbegriff unterscheidet
Der Ursprung des Begriffs „Luxus“ lässt sich auf das Lateinische zurückführen, wo er mit Üppigkeit, Ausschweifung und Verschwendung assoziiert wird – eine negative Konnotation, die seit der Antike besteht. In Kontrast dazu steht Quiet Luxury: eine Form versteckten Reichtums, bei dem Luxusprodukte nicht auf den ersten Blick als solche identifizierbar sind und nur von Kennern als besonders enthüllt werden.
Das fett gedruckte Designerlogo in all seiner Protzigkeit hat als Symbol des Luxus ausgedient. Stattdessen werden der leise Luxus, die subtile Abgrenzung und kultivierte Überlegenheit, zum neuen Stil des besser betuchten Teils unserer Gesellschaft.
Neu? Nun ganz so neu ist auch diese Form des Luxus nicht. Ob von Steve Jobs schwarzem Rollkragenpullover, Jack Dorseys Lederjacke oder Mark Zuckerbergs T-Shirts – wir kennen Quiet Luxury bereits von der betont lässig-unauffälligen Garderobe, der einflussreichen, männlichen Tech-Elite des Silicon Valleys.
Zwar ist das Bedürfnis nach der Kommunikation des eigenen sozialem Status auch im Quiet Luxury ein prägendes Charakteristikum. Allerdings sind Menschen, die sich für den stillen Luxus entscheiden, häufig schon länger vermögend und haben dies bereits im sozialen Status verankert. Im Vergleich zu jenen die erst kürzlich zu Geld gekommen sind, hegen sie keinen immanenten Drang nach einer marktschreierischen Verkündigung des eigenen Reichtums, sondern bedienen sich subtilerer Botschaften. Ganz getreu Motto: „Money talks, Wealth whispers.”
Und während Mark Zuckerbergs scheinbar immerwährender Einheitslook aus Jeans, T-Shirt und Hoodie auf den ersten Blick wirkt wie unangepasste, modische Rebellion gegen althergebrachte Statussymbole, so lässt sich der Meta-Gründer und Multi-Milliardär diesen Stil jedoch einiges kosten: Die von Modedesigner Brunello Cucinelli entworfenen Shirts, aus Zuckerbergs Kleiderschrank sind zum Preis von etwa 300 bis 400 Dollar erhältlich.
Beim Quiet Luxury steht also vor allem die betont unauffällige Kommunikation der eigenen Vermögensverhältnisse im Vordergrund. Die zu vermittelnde Nachricht ist die des Understatements, sie lautet: „Ich habe es nicht nötig, hervorzuheben, dass ich mir bestimmte Dinge leisten kann. Ich leiste sie mir einfach und teile dies nur mit einem kleinen, elitären Kreis von Menschen, die mein Verständnis von Luxus teilen – und somit auch meine Botschaft verstehen.”
Woher die neu gewonnene Faszination für Quiet Luxury kommt
Obgleich Quiet Luxury kein neues Phänomen ist, hat eine Vielzahl von popkulturellen Ereignissen und gesellschaftlichen Entwicklungen in letzter Zeit zu einer enormen Anziehungskraft für dieses Thema geführt.
Allem voran ist es die HBO-Erfolgsserie „Succession“, welche mit ihrer vierten Staffel besondere Aufmerksamkeit darauf lenkte. In der ersten Episode besagter Staffel wird eine „lächerlich geräumige“ Burberry Tasche mit auffälligem Logo von Mitglieder:innen der Milliardärsfamilie Roy verspottet, welche sich stets in schlicht wirkendem, aber teuer zu bezahlendem Stil kleidet. Dabei wird klar: Selbst bei Platzhirschen wie Burberry finden prunkhafte Logos im Kontext von Quiet Luxury keinen Platz. Daraus entstanden ist ein regelrechter Hype um die Luxusmarken des Quiet Luxury, welcher primär in den sozialen Medien unter den Schlagworten „Old Money Style“ und „Quiet Luxury“ von Fans der Serie und dessen Mode ausgetragen wird.
Parallel dazu prägen eine Vielzahl an Krisen unsere Gesellschaft wie selten zuvor und werden dabei zum Auslöser für Quiet Luxury. Ob Klimawandel, Ukraine-Krieg oder wirtschaftliche Rezession – in Zeiten der Krise und ökonomischer Unsicherheit schickt es sich nicht, den eigenen Wohlstand ungeniert nach außen zu tragen. Besonders in entwickelten Ländern und bildungsnahen Kreisen findet ein immer stärkeres Umdenken statt, nicht nur mit Hinblick auf die (möglichst stille) Außendarstellung von Luxus, sondern auch auf dessen ganzheitliche Auswirkungen.
Vor allem die Generation der 20-30-jährigen zeigt ein gesteigertes Bewusstsein dafür und hinterfragt immer häufiger: Wie ist die klimatische und soziale Bilanz der individuellen Übertreibung für die Gemeinschaft? Angesichts der Tatsache, dass laut einer Studie von Bain & Co. voraussichtlich etwa zwei Drittel des prognostizierten Luxuskonsums im Jahr 2025 auf Konsument:innen unter 40 entfallen werden, dürfte sich der Luxus-Markt dringlicher denn je mit den Anforderung an Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit auseinandersetzen.
Die Auswirkungen dieser durch Krisen getriebenen Veränderungen in der Branche spiegeln sich besonders in China wider, dem einstigen Epizentrum der luxuriösen Protzerei.
Warum China zum Hub für Quiet Luxury wird
Der Designer Brunello Cucinelli (Sie erinnern sich: Mark Zuckerbergs T-Shirts-Marke) verzeichnete von 2011 bis 2020 in China eine Verachtfachung seines Geschäfts. Im Jahr 2022 entfielen beeindruckende 20% des globalen Umsatzes mit Luxusgütern auf das Reich der Mitte. Allein in Peking erreichte der Markt für persönliche Luxusgüter in 2022 eine Größe von 59 Milliarden Euro. Und laut einer Studie von Bain & Co. wird China bis 2030 voraussichtlich 40% des globalen Luxuskonsums ausmachen.
Während die Volksrepublik damit zweifelsohne der global größte Luxusmarkt war und ist, hat sich wohl kaum ein Markt in postpandemischen Zeiten so stark verändert. Einst bekannt für auffällige pinkfarbene Bentleys, goldene Rolex-Uhren und exzentrisches Interieur, haben sich die ästhetischen Ansprüche der chinesischen Oberschicht drastisch verändert. Der laute Luxus und die Jagd nach Logos sind aus der Mode gekommen, und zeitlose, dezente Designs werden nun überwiegend bevorzugt. Der globale Trend des Quiet Luxury oder “Laoqianfeng”, wie er im Land genannt wird, trifft also nirgendwo auf der Welt auf fruchtbareren Boden als in China.
Neben den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der abgeschwächten Konjunktur des Landes ist das Interesse am Quiet Luxury nicht zuletzt auch politischen und sozialen Faktoren geschuldet. Chinas Spitze, Präsident Xi Jinping gilt als Ächter des Luxus. Und dies nicht aus rein ideologischen Gründen, sondern auch mit Hinblick auf die Legitimation der kommunistischen Partei.
Seit seinem Amtsantritt setzt die chinesische Regierung alles daran, die übermäßige Zurschaustellung von Reichtum zu unterbinden. So wurden bereits 2011 Werbetafeln mit Formulierungen, die die Wörter „Luxus“ oder „Oberklasse“ enthielten, in Peking verboten. Staatliche Banken wiesen ihre Mitarbeitenden an, auf Markenkleidung und Designer-Handtaschen zu verzichten. Und auf Douyin, der chinesischen Version von TikTok, wurden im Rahmen einer Säuberungskampagne tausende Konten gelöscht, auf denen Influencer ihren Reichtum demonstrativ zu Schau stellten.
Somit wird Quiet Luxury zu einem Mittel, um der verordneten Bescheidenheit gerecht zu werden und ermöglicht der chinesischen Oberschicht, die Lust am Luxus auszuleben, ohne die Sorge vor Repressalien. Expert:innen prognostizieren einen langfristigen Erhalt, ja sogar eine Verstärkung dieses Effekts in den kommenden Jahren in China. Diese Entwicklung überrascht nicht, spiegeln doch Zurückhaltung und Bescheidenheit wesentliche Grundpfeiler der chinesischen Philosophie und Kulturgeschichte wider.
Quiet Luxury könnte sich damit als mehr als nur ein Trend beweisen und vielmehr den Wandel hin zu einem langfristig veränderten Luxus-Verständnisses markieren. Ein Verständnis nach dem Luxus nicht laut sein muss, um gehört zu werden und das immer stärker von einem bewussteren und nachhaltigeren Ansatz geprägt sein wird.
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